Der Morgen beginnt mit einem leicht wehmütigen Gefühl. Wir genießen noch einmal den Blick von unserer Terrasse. Der Gedanke, die Castlecraig Clifftop Cabins zu verlassen, fällt uns wirklich schwer – zu schön waren die letzten Tage hier oben auf den Klippen, zu besonders all die Erlebnisse rund um diesen Platz der NC500.
Doch wie jede Reise hat auch diese ihre Wendepunkte. Heute heißt es Abschied nehmen – nicht nur von diesem wunderbaren Ort, sondern auch von der North Coast 500 selbst. Nach Tagen voller Abenteuer, Whisky, Meer, Geschichte und Natur verlassen wir die legendäre Route und machen uns auf den Weg Richtung Süden.
Route A9 von der NC500 bis Linlithgow
Wir haben eine lange Etappe vor uns, rund 325 Kilometer, von unseren geliebten Clifftop Cabins bis nach Linlithgow, wo wir die nächsten Tage verbringen werden.
Die Fahrt führt uns die A9 entlang – vorbei an vertrauten Orten, die uns sofort an unsere große Reise erinnern: Aviemore, Dalwhinnie, Pitlochry, Perth … Namen, die mittlerweile fast vertraut klingen. Es fühlt sich schön an, all diese Gegenden wiederzusehen, diesmal mit all den Erinnerungen im Gepäck, die wir unterwegs gesammelt haben.
Nach etwa zwei Dritteln der Strecke legen wir einen Zwischenstopp ein – bei der Blair Athol Distillery. Eine kleine Pause tut gut, die Beine vertreten, tief durchatmen und natürlich kurz in die Welt des Whiskys eintauchen. Die charmante Destillerie mit ihrem von Efeu umrankten Gebäude wirkt fast wie aus einem anderen Jahrhundert, und der Geruch von Malz und Holz hängt in der Luft. Ein kurzer, aber feiner Stopp, bevor wir uns wieder auf den Weg machen.
Zurück auf der Straße begleiten uns die ersten Wetterwarnungen auf den Verkehrstafeln: Sturm Floris soll im Anmarsch sein. Laut Prognose wird er morgen über Schottland hinwegfegen – besonders über die NC500-Regionen und die Inseln. Wir sind froh, dass unsere Route uns nun weiter in den Süden führt, aber ein bisschen Wehmut schwingt doch mit: Es fühlt sich an, als würde die raue Nordküste sich mit einem letzten kräftigen Windstoß verabschieden.
Es ist ein eigenartiges Gefühl – überall tauchen nun Warnungen vor Sturm Floris auf. Auf den Anzeigetafeln entlang der Autobahn, in den Nachrichten, auf Social Media. Noch ist davon nichts zu spüren: kein Regen, kein Wind, nur ein paar dunklere Wolken am Himmel. Und doch begleitet uns dieses seltsame Gefühl, dass da etwas Großes im Anmarsch ist.
South Queensferry – Immer wieder gerne hier
Kurz vor Edinburgh meldet sich dann der Hunger. Wir haben unser Tagesziel fast erreicht, also beschließen wir, einen Zwischenstopp einzulegen – und landen wieder einmal in South Queensferry. Ein Ort, der uns schon auf früheren Reisen begeistert hat, mit seinem Blick auf die gigantische Forth Bridge und dem maritimen Flair. Heute zieht es uns ins Down the Hatch, ein gemütliches kanadisches Restaurant direkt am Wasser und wir lassen es uns so richtig schmecken.
Wenig später erreichen wir unsere Unterkunft auf der Parkley Farm in Linlithgow – und sind sofort begeistert. Die Anlage ist wunderschön, ruhig gelegen und liebevoll geführt. Wir werden herzlich empfangen, bekommen eine kleine Führung über das Gelände, lernen die Tiere kennen und dürfen sogar einen Blick hinter die Kulissen werfen.
Spontan mit dem Zug nach Edinburgh
Da für morgen der große Sturm Floris angekündigt ist und wir noch einmal nach Edinburgh möchten, werfen wir unseren ursprünglichen Plan kurzerhand über Bord und entscheiden uns, dass wir heute noch nach Edinburgh fahren wollen. Wir nehmen den Zug von Linlithgow direkt bis zur Endstation in Edinburgh Waverley. Eine spontane Entscheidung, die sich als goldrichtig herausstellt.
Denn kaum erreichen wir die Hauptstadt, lacht uns die Sonne entgegen. Sommerwetter pur, blauer Himmel, T-Shirt-Temperaturen – niemand würde glauben, dass ein Sturm im Anmarsch ist. Die Stadt pulsiert: Das Fringe Festival ist in vollem Gange, Straßenkünstler, Musik, Theater, Menschenmengen – Edinburgh zeigt sich von seiner lebendigsten Seite.
Wir spazieren gemütlich durch die Straßen, vorbei an den alten Steinhäusern, und steigen hinauf zum Edinburgh Castle. Oben angekommen, stehen wir wieder einmal vor der großen Tribüne, die für das Royal Edinburgh Military Tattoo aufgebaut ist. Und natürlich kommt das Kribbeln: ein kurzer Blick auf die Resttickets für die Jubiläumsshow – 75 Jahre Military Tattoo. Noch ein paar vereinzelte Plätze sind frei, und wir hadern mit uns, ob wir sie uns nicht doch noch gönnen sollen. Das Tattoo ist einfach ein Erlebnis, das man nicht vergisst – diese Mischung aus Musik, Emotion und Gänsehautmomenten.
Wir lassen uns treiben, schlendern weiter die Royal Mile hinunter, stöbern in den kleinen Shops, genießen die Straßenmusik und die fröhliche Festivalstimmung. Edinburgh hat diese besondere Energie im August – bunt, laut, inspirierend.
Als der Tag sich dem Ende zuneigt, nehmen wir den Zug zurück nach Linlithgow. Im Wagon treffen wir einige Bahnangestellte, die mit Passagieren plaudern. Dabei erfahren wir, dass morgen ab Mittag der gesamte Zugverkehr eingestellt wird – wegen des aufziehenden Sturms. Alle Züge sollen in die Stationen gebracht werden, Reisen wird dann nicht mehr möglich sein. Puh! Wir sehen uns an, beide erleichtert und dankbar, dass wir diesen spontanen Ausflug heute gemacht haben. Es war der perfekte Nachmittag in Edinburgh – voller Sonne, Leben und guter Laune, bevor Schottland morgen ziemlich ungemütlich werden soll.
Reiseroute des Tages 🚘
